In Falkenhagen, gelegen in der Gemeinde mit dem sachlich-prosaischen Namen “Nordwestuckermark”, gibt es das Ensemble Quillo. Eine engagierte, durchaus verrückte Truppe um die engagierte, durchaus verrückte Ursel Weiler. Auf einem Vierseithof fast am Dorfrand macht Quillo Kultur. Ah ja. Auf einer Seite des Hofs wohnt die musikalische Familie, auf der anderen gibt es mit dem Haus Quillo einen wunderschönen Auftritts- und Probenraum mit Bühne und Küche und Lichtempore. Vor gut sieben Jahren habe ich für den rbb mal was über Ursel und ihre Familie in einer Reihe “Raumpioniere” gemacht. In der es um Menschen ging, die “aufs Land” ziehen und dort Häuser und das Zusammenleben retten. Hier wird Neue Musik gemacht – das ist das mit den schrägen Tönen – der sich die studierte Flötistin besonders verschrieben hat. Hier wird mit Musikerkollegen komponiert, diskutiert, geprobt, gespielt. Hier wird mit jungen Menschen Musik gemacht – ob Landmusik, Oper oder Filmmusik. Oder gleich richtig Film. In dem dann auch die Nachbarn aus dem Dorf vor der Kamera stehen. Mit denen sich Ursel noch viel mehr Miteinander wünschen würde.
Aber irgendwie gibt es am Hoftor noch immer so eine Schwelle, mit der sich einige schwer tun. “Vielleicht fürchten einige noch immer, dass – egal, was für ein Programm grad dransteht – aus irgendeiner Ecke dann doch ein schräger Flötenton kommt. Mit dem sie dann nichts anfangen können”, hat mir Ursel neulich mal lachend erklärt. Aber diejenigen, die einmal da waren oder selbst an irgendeinem “Projekt” beteiligt waren, haben diese Scheu verloren. Mit Neuer Musik können sie vielleicht nach wie vor nichts anfangen, aber sie wurden auf dem Hof Quillo zaghaft an das schöne Gefühl erinnert, gemeint zu sein und gebraucht zu werden. Gegenüber vom “Konzerthaus” im einstigen Stall ist seit einem Jahr das Kino Quillo. Immer freitags ist Wunschfilmzeit im Stammtischkino, das Programm gibts per Newsletter, der Eintritt ist frei, das Geld für das Bier wird in die Kasse des Vertrauens gelegt.
Gestern war in Falkenhagen wieder eine Premiere, eigentlich eine Uraufführung. Mit Kindern haben die Profis Musiktheatercollagen zum Thema HEIMAT auf die Bühne gebracht. Gemeinsam entwickelt, gemeinsam umgesetzt. Ursel hat organisiert und beantragt, gekocht und aufgeräumt, motiviert und getröstet, Pailetten gekauft und musiziert.Mit dabei waren auch Mädchen, deren Familien die Heimat verlassen haben und auf ganz unterschiedlichen Wegen nach Deutschland, nach Lychen gekommen sind. Jana Thum, seit einigen Jahren Lychenerin, selbst Mutter von zwei munteren Mädels, Regionalmanagerin … hat die Kinder ins Auto gepackt und ist mit ihnen in die Nordwestuckermark gefahren. Damit sie dabei sein können.
Und Jana schrieb gestern Abend kurz vor Mitternacht: “Was für ein Tag! Nach der begeisternden Premiere von ‘Heimat’ haben wir auf der Rückfahrt nochmal Bella Ciao mit den syrischen und tschetschenischen Mädels geträllert. Der Aufwand hat sich mehr als gelohnt. Danke Quillo Ensemble!!! “ In diesen Zeilen steckt so viel, dass sie mich zu diesen, meinen Sätzen veranlassen. Hinzufügen kann und will ich ihnen nichts mehr.