Am 8. Mai findet in Friedrichswalde, nicht mehr ganz Uckermark, schon im Barnim, aber ganz nah an der Grenze, der 21. Motorradgottesdienst statt. Die Idee eines außergewöhnlichen Pfarrers und seiner Frau, über die ich vor einem Jahr ein Porträt geschrieben hatte. Hier ein paar Auszüge – und ein paar Aktualierungen:
Blitzender Chrom so weit das Auge auf der Dorfstraße reicht, mehr Motorradfahrer als Einwohner, ein Gottesdienst, den wegen der überfüllten Kirche viele draußen vor der Tür verfolgen: Was sich Jahr für Jahr am Muttertag im kleinen Holzschuhmacherdorf Friedrichswalde an der Grenze von Barnim und Uckermark abspielt, ist ungewöhnlich. Fast märchenhaft. Ein Märchen, das so beginnen würde: Es waren einmal ein motorradfahrender Pfarrer und seine ebenso zweiradbegeisterte Frau, die fuhren nach Hamburg zum Motorradgottesdienst. Sie erlebten mit Tausenden anderen ein einzigartiges Biker-Miteinander zwischen der Musik aus blubbernden Motoren und Vaterunser.
Sie nahmen dieses Gänsehautfeeling mit nach Hause und als sie in ihrem 760-Einwohner-Dorf von den Maschinen stiegen, wussten sie, dass ab sofort auch hier die Motorradsaison mit einem Gottesdienst und einer gemeinsamen Ausfahrt beginnen würde. Und so trafen sich 1996 im April 30 Biker aus Friedrichswalde zum ersten Motorradgottesdienst. Es waren 30 harte Biker, denn die anschließende Ausfahrt ging durch Regen und Kälte.“Im nächsten Jahr machen wir´s später“, sollen sie anschließend beschlossen haben. Seither findet der Friedrichswalder Motorradgottesdienst immer am zweiten Maisonntag statt …
In diesem Jahr zum 21. Mal. Bei Renate und Ralf Schwieger im Pfarrhaus laufen in diesen Tagen die unzähligen Fäden der Vorbereitung für die Jubiläumsauflage des mittlerweile größten Motorradgottesdienstes in Bandenburg und Berlin zusammen. „Einiges ist Routine, trotzdem habe ich natürlich Lampenfieber „, räumt die temperamentvolle Bikerin ein. Mit dem „Zweiradvirus“ habe sich die 47-Jährige, die beim Amt Biesenthal-Barnim als Jugendkoordinatorin arbeitet, schon zu Jugendzeiten im Oderbruch infiziert. Dass ihr späterer Mann Ralf damals mit dem Motorrad vor der Schule auf sie wartete, soll dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben.
Ralf Schwieger tritt im Frühjahr 1989 im uckermärkischen Herzsprung eine Stelle als Vikar an, das frischvermählte Paar zieht ins Pfarrhaus. Die weitläufige Landschaft ihrer neuen Heimat erfahren sie im wahrsten Sinne des Wortes auf ihren Motorrädern. Hügel, kurvige Straßen, Bikerparadies. Als in den Neunzigern in Friedrichswalde die Pfarrstelle neu besetzt wird, kommt der Pastor mit dem Motorrad. Und seine Frau auch. Gas geben, den Motor hören und sich frei fühlen. So frei, wie es nur beim Biken geht. Wenn Renate Schwieger übers Motorradfahren spricht, kommt sie schnell ins Schwärmen. Ein Gefühl, das sie sagen lässt: „Motorradfahren ist doch viel zu schön, um es allein den Männern zu überlassen“. Sie weiß aber auch um die besondere Verletzlichkeit der Biker, um die Gefahr, die immer mitfährt. Und von den Toten, die es jedes Jahr aufs Neue gibt. Ihnen gilt beim Gottesdienst traditionell ein besonderes Gedenken. „Und wenn es dann in einer bis auf den letzten Platz besetzten Kirche und davor ganz still ist, das ist so ein Gänsehautmoment, den man nicht vergisst“, sagt sie. An den sich, so hofft sie, der eine oder andere später auf der Piste erinnert. Und am Gasgriff die Vernunft siegen lässt.
Beim dritten Mottorradgottesdienst 1998 waren aus den 30 schon 300 Biker geworden und von Jahr zu Jahr wurden es mehr. Und das Dorf machte aus diesem Ereignis eine gemeinsame Sache: die Gemeinde unterstützt, die Anwohner machen bereitwillig Platz, die Unternehmer, von denen auffällig viele Motorrad fahren, helfen und bringen sich mit eigenen Ideen ein. Viele Geschichten ranken sich um 20 Jahre Motorradgottesdienst. Darunter die der Bundeskanzlerin, die von ihrem uckermärkischen Refugium im nahegelegenen Hohenwalde nach Berlin wollte, nicht durchkam und umkehren musste. Oder das „Wunder der trockenen Ausfahrt“ beim Jubiläum vor genau zehn Jahren. Als auf 70 Kilometern niemand einen Tropfen abbekam, während es ringsum am Horizont hagelte, stürmte und regnete. Nicht immer gab es so viel Glück, vor allem in den letzten Jahren sind die Biker auch klatschnass von ihren Maschinen gestiegen. Deshalb, da sind sich alle einig, ist zum 21. unbedingt Sonne dran …