Das Fernsehen war da. Der blaue Robur-Bus des rbb, der kommt, wenn es irgendwo im Land lokalpolitisch knistert. Wie in Lychen. Wo es Streit gibt um ein Ufergrundstück am Zenssee, dessen Verkauf die Stadt vor knapp neun Jahren beschlossen hatte. Es soll dem benachbarten Heilstättengelände zugeschlagen werden und aus diesem am Wasser liegenden Grundstück ein Grundstück mit direktem und privatem Wasserzugang machen.
Dieses Thema, in der Vergangenheit allzu oft mit Verweis auf Vertragsgeheimnisse in nichtöffentlichen Sitzungen verhandelt und gerüchteweise durch die Stadt wabernd, wurde jetzt also vor laufenden Fernsehkameras und Mikrofonen diskutiert. Eine bemerkenswerte Entwicklung. Zu verdanken der Bürgerinitiative, die den jetzt offensichtlich unmittelbar bevorstehenden Verkauf dieses Grundstücks samt Badestelle und Wanderweg verhindern will. Und deshalb eine öffentliche Debatte über dieses sehr öffentliche Thema führen möchte. Ihr Ziel hatte die Bürgerinitiative den Lychenern kürzlich in einer Postwurfsendung mitgeteilt: Eine neue Bürgerversammlung soll stattfinden, ein neuer Vertrag soll her. Weil der freie Zugang zum Wasser ein hohes Gut ist und weil sich die Nutzung des Heilstättengeländes geändert hat.
Ein munteres Völkchen erwartete den blauen Bus am Rande des ehemaligen Heilstättengeländes. In Lychen fällt es auf, wenn mehr Menschen zusammenstehen als in einer Supermarkschlange. Die einen – diejenigen, die den Bus gerufen hatten – sind ein bisschen aufgeregt, haben gemalte Plakate mitgebracht, Aufkleber und ein Spiel. „Du siehst das Wasser und kommst nicht ran? Um schneller zu sein, darfst du noch einmal würfeln…“ und so etwas. Schön, wenn Protest bei aller Deutlichkeit freundlich ist und Humor hat. Die „anderen“, das sind vor allem die Stadtverordneten, die im Verkauf des Ufergrundstücks nach wie vor einen Vorteil für Lychen sehen. Weil die Vorhaben des Investors aus ihrer Sicht mehr Pluspunkte bringen. Sie haben Pläne in der Tasche, um dessen Absichten erklären zu können. Um dann kurzzeitig erstaunt zu reagieren, als ihnen der souverän agierende rbb-Reporter Stefan Sperfeld auf einen entsprechenden Einwurf mitteilt, dass eben jener Investor im Vorfeld nicht auf seine Anfragen – auch nicht auf seinen Wunsch nach einem Hintergrundgespräch – reagiert habe.
Und so wird in der Frühlingssonne auf der vielleicht bald nicht mehr öffentlichen Badestelle diskutiert. „Der Vertrag ist gültig und muss erfüllt werden, wenn der Investor seine Bedingungen erfüllt“, argumentieren Stadtverordnete und die stellvertretende Bürgermeisterin. „Die Voraussetzungen haben sich geändert, wir wollen, dass mehr für Lychen und die Lychener bleibt“, sagen die mit den Plakaten. „Ich bin wegen der so selten gewordenen unberührten Natur und den Möglichkeiten, hier direkt am Wasser zu sein, nach Lychen gekommen“, sagt einer. Um zu hören: „Wir brauchen mehr zahlende Gäste und nur wegen des Zenssees kommt doch keiner“. Einer, der es weiß, betont, dass in der internationalen Spitzenhotellerie aktuell gerade das Gegenteil stattfindet: Statt die Öffentlichkeit aus Hotels und Hotelanlagen auszuschließen, werden diese mit Angeboten für die einheimische Bevölkerung geöffnet. Immer wieder wird die Unsicherheit geäußert, wann welche Alternativen zu Weg und Badestelle geschaffen werden. Die Forderungen: Neu verhandeln, klare Bedingungen setzen. Und prüfen, ob sich der Vertrag von 2008 im Einklang mit geltendem Landesrecht befindet – insbesondere mit Artikel 40 der Landesverfassung, der den freien Zugang zu Gewässern festschreibt.
Der blaue Bus ist wieder gefahren. Es ist jetzt Aufgabe der Verwaltung und der Stadtverordneten, auf den an diesem Nachmittag klar geäußerten Bürgerwillen einzugehen und nicht zur Praxis der nichtöffentlichen Behandlung des Themas zurückzukehren. Was im übrigen auch nicht mehr so leicht sein dürfte. Denn neben der Bürgerinitiative hat auch das Fernsehen angekündigt: Wir bleiben dran.
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