
Hilde Singer 2013 in New York. Foto: Daniela Reinsch

Hildes Kinder, Enkel und Urenkel und Journalistin Daniela Reinsch (2.v.l.)
Hilde Singer 2013 in New York. Foto: Daniela Reinsch
Hildes Kinder, Enkel und Urenkel und Journalistin Daniela Reinsch (2.v.l.)
Heute ist es aprilwettrig in der Uckermark. Kein angedrohtes Unwetter, kein Sommersturm, auch sonst nichts irgendwie besonders Klickträchtiges für Anfang Juni. Einfach ein bisschen kühler, ab und zu ein bisschen windiger, ab und zu ein bisschen Donner, ab und zu ein paar Regentropfen. Gerade so viel, dass Vorsichtige den Schirm mitnehmen. Nein, das wird kein Wetterbericht. Doch eigentlich … könnte ich es wagen mit einer Vorhersage. Zum Beispiel, dass es heute Abend ab ca. 19 Uhr trocken bleibt und der Wind sich in Grenzen halten wird. Möglicherweise entgegen anders lautender Voraussagen. Wie die lauten weiß ich nicht, da ich maximal etwas auf das Niederschlagsradar gebe, wenn es höchstens 30 Minuten in die Zukunft schaut. Ansonsten halte ich nicht viel von Wetterprognosen, deren Trefferquote sich gefühlt irgendwo in der Nähe von Wahlprognosen bewegt. Genug der Wetterfröschlerei. Aber ich bleibe mutig dabei: Heute Abend ist es trocken und nicht allzu windig. Denn heute Abend ist Musikfloßzeit.
Und wenn das Musikfloß an der Station von Treibholz ablegt, ist schönes Wetter. Oder zumindest eines, das sich mit Decke, Pullover und Wein unter den Segeltuchdächern der Flöße gut aushalten lässt. Das war in den vergangenen Jahren nämlich immer so. Vielleicht haben die „Treibhölzer“ ja einen Pakt mit ganz oben, vielleicht ist es auch einfach so etwas wie ein Dankeschön für eine großartige Idee und ihre großartige Umsetzung. Die längst mehr ist als eine von vielen schönen und stimmungsvollen Veranstaltungen im uckermärkischen Sommer.
2010 haben Jana und Marcus Thum die Flöße zum ersten Mal in eine schwimmende Bühne verwandelt. Haben ein erstes Programm „gestrickt“, haben probiert und haben gemeinsam mit ihrem begeisterten Publikum erfahren: Kultur kann man auch am Mittwochabend machen, Musik am Schilfgürtel ist so viel anders als auf der Bühne und die Natur ist ohnehin die schönste Kulisse. Und wenn die Enten und Gänse mit der Harfe um die Wette musizieren, wenn großartiger Sonnenuntergang den Horizont zu Liedermachertexten rot färbt und wenn russische Balladen zum aufgehenden Vollmond über dem Oberpfuhl erklingen, hat sich bisher noch jeder auf und vor der „Bühne“ ins Musikfloß verliebt.
Heute starten die drei aneinander gehängten Flöße, auf denen ungefähr 80 Gäste Platz finden, in die achte Musikfloßsaison. Die Premiere ist wie die meisten anderen Konzerte dieses Sommers ausverkauft. Wie jedes Jahr. Trotzdem wurde die Platzkapazität nicht erhöht, trotzdem werden Konzerte nicht wiederholt. Auch so eine Philosophie: Es ist etwas Einmaliges, auch etwas Vergängliches. Wenn das Floß angelegt hat, ist Schluss. Verweht vom Abendwind, eine schöne Erinnerung. Doch, eines hat sich geändert: Vier Konzerte mehr gibt es seit vergangenem Jahr, seit der Juni mit seinen langen, hellen Abenden auch zum Musikfloßmonat erkoren wurde. Musikfloß geht auch außerhalb der Ferien, war die nächste Erkenntnis. Musikfloß-Karten sind und bleiben „Goldstaub“ und so fühlen sich die Glücklichen, die sie bekommen, auch.
Die Glücklichen, das sind Lychener und Urlauber, Menschen aus den Nachbarorten und von weiter her. Das ist die 80-Jährige, die Karten für eine komplette Musikfloßsaison zum Jubiläum bekam und seither einen bequemen „Ehrenplatz“ auf dem Floß hat. Der Achtjährige, der auf einer Decke seelenruhig in den Abend schläft. Die 18-Jährige, die wippt und tänzelt zu Musik, die eigentlich ihre Eltern toll finden. So wie die Treibholz-Flößer je nach Wind und Wetter jedesmal einen anderen Ankerplatz suchen, so spielen sich jedesmal andere Geschichten ab auf dem Floß. Manch ein Künstler witzelte in der Vergangenheit, dass er beruhigt in die Pause gehen und sich auf eine Fortsetzung vor vollzähligem Publikum freuen könne – schließlich kann niemand weg. Nein, weglaufen geht hier nicht. Auch nicht vor der Ruhe, nicht vor dem romantischen Sonnenuntergang, nicht vor der Begleitung, nicht vor sich selbst.
Vielleicht ist es all das, was die Musikfloßabende zu so etwas Besonderem gemacht haben und jeden Mittwoch aufs Neue machen. Und dass es so „ganz nebenbei“ die wunderbarste Werbung für Lychen ist. Die Flößerstadt, die von sich sagt: Wir stehen auf Wasser. Auf dem Musikfloß erleben Menschen, was damit gemeint sein kann: Natur erleben auf eine großartige Weise, auf eine, die ans Herz geht, wenn man es zulässt. Abseits von Lärm und Aktionismus Kultur genießen. Abseits von Phrasen über die so viel zitierte Nachhaltigkeit. Statt dessen: Mit der gebotenen Sensibilität Natur erleben, nah dran sein, berührt sein. Ein Kleinod, das so viel wert ist.
Liebes Musikfloß, liebe Musikfloßmacher – bitte, bitte weiter so. Heute Abend fängt in Lychen der Sommer an. Und ich denke, es bleibt trocken.
Die Bilder in der Galerie sind aus verschiedenen Jahren:
Update: Erst hatte ich ja gedacht, dass ich das mit dem Musikfloßwetter besser nicht geschrieben hätte. Denn noch kurz nach 19 Uhr stürmte und regnete es. Doch siehe da: Als das Floß genau 19:30 Uhr ablegte, war es trocken und in der Bucht, die angesteuert wurde, auch windstill. Ganz kurz kam sogar die Sonne durch die Wolken. Gut gelaunte Gäste, gut gelaunte Musiker. Ein schöner Musikfloßabend.
Das Fernsehen war da. Der blaue Robur-Bus des rbb, der kommt, wenn es irgendwo im Land lokalpolitisch knistert. Wie in Lychen. Wo es Streit gibt um ein Ufergrundstück am Zenssee, dessen Verkauf die Stadt vor knapp neun Jahren beschlossen hatte. Es soll dem benachbarten Heilstättengelände zugeschlagen werden und aus diesem am Wasser liegenden Grundstück ein Grundstück mit direktem und privatem Wasserzugang machen.
Dieses Thema, in der Vergangenheit allzu oft mit Verweis auf Vertragsgeheimnisse in nichtöffentlichen Sitzungen verhandelt und gerüchteweise durch die Stadt wabernd, wurde jetzt also vor laufenden Fernsehkameras und Mikrofonen diskutiert. Eine bemerkenswerte Entwicklung. Zu verdanken der Bürgerinitiative, die den jetzt offensichtlich unmittelbar bevorstehenden Verkauf dieses Grundstücks samt Badestelle und Wanderweg verhindern will. Und deshalb eine öffentliche Debatte über dieses sehr öffentliche Thema führen möchte. Ihr Ziel hatte die Bürgerinitiative den Lychenern kürzlich in einer Postwurfsendung mitgeteilt: Eine neue Bürgerversammlung soll stattfinden, ein neuer Vertrag soll her. Weil der freie Zugang zum Wasser ein hohes Gut ist und weil sich die Nutzung des Heilstättengeländes geändert hat.
Ein munteres Völkchen erwartete den blauen Bus am Rande des ehemaligen Heilstättengeländes. In Lychen fällt es auf, wenn mehr Menschen zusammenstehen als in einer Supermarkschlange. Die einen – diejenigen, die den Bus gerufen hatten – sind ein bisschen aufgeregt, haben gemalte Plakate mitgebracht, Aufkleber und ein Spiel. „Du siehst das Wasser und kommst nicht ran? Um schneller zu sein, darfst du noch einmal würfeln…“ und so etwas. Schön, wenn Protest bei aller Deutlichkeit freundlich ist und Humor hat. Die „anderen“, das sind vor allem die Stadtverordneten, die im Verkauf des Ufergrundstücks nach wie vor einen Vorteil für Lychen sehen. Weil die Vorhaben des Investors aus ihrer Sicht mehr Pluspunkte bringen. Sie haben Pläne in der Tasche, um dessen Absichten erklären zu können. Um dann kurzzeitig erstaunt zu reagieren, als ihnen der souverän agierende rbb-Reporter Stefan Sperfeld auf einen entsprechenden Einwurf mitteilt, dass eben jener Investor im Vorfeld nicht auf seine Anfragen – auch nicht auf seinen Wunsch nach einem Hintergrundgespräch – reagiert habe.
Und so wird in der Frühlingssonne auf der vielleicht bald nicht mehr öffentlichen Badestelle diskutiert. „Der Vertrag ist gültig und muss erfüllt werden, wenn der Investor seine Bedingungen erfüllt“, argumentieren Stadtverordnete und die stellvertretende Bürgermeisterin. „Die Voraussetzungen haben sich geändert, wir wollen, dass mehr für Lychen und die Lychener bleibt“, sagen die mit den Plakaten. „Ich bin wegen der so selten gewordenen unberührten Natur und den Möglichkeiten, hier direkt am Wasser zu sein, nach Lychen gekommen“, sagt einer. Um zu hören: „Wir brauchen mehr zahlende Gäste und nur wegen des Zenssees kommt doch keiner“. Einer, der es weiß, betont, dass in der internationalen Spitzenhotellerie aktuell gerade das Gegenteil stattfindet: Statt die Öffentlichkeit aus Hotels und Hotelanlagen auszuschließen, werden diese mit Angeboten für die einheimische Bevölkerung geöffnet. Immer wieder wird die Unsicherheit geäußert, wann welche Alternativen zu Weg und Badestelle geschaffen werden. Die Forderungen: Neu verhandeln, klare Bedingungen setzen. Und prüfen, ob sich der Vertrag von 2008 im Einklang mit geltendem Landesrecht befindet – insbesondere mit Artikel 40 der Landesverfassung, der den freien Zugang zu Gewässern festschreibt.
Der blaue Bus ist wieder gefahren. Es ist jetzt Aufgabe der Verwaltung und der Stadtverordneten, auf den an diesem Nachmittag klar geäußerten Bürgerwillen einzugehen und nicht zur Praxis der nichtöffentlichen Behandlung des Themas zurückzukehren. Was im übrigen auch nicht mehr so leicht sein dürfte. Denn neben der Bürgerinitiative hat auch das Fernsehen angekündigt: Wir bleiben dran.
Das vollständige Fotoalbum findet ihr hier.
Badestelle Zenssee
“Land, Gemeinden und Gemeindeverbände sind verpflichtet, der Allgemeinheit den Zugang zur Natur, insbesondere zu Bergen, Wäldern, Seen und Flüssen, unter Beachtung der Grundsätze für den Schutz der natürlichen Umwelt freizuhalten und gegebenenfalls zu eröffnen.”
Über dieses Gelände soll der Wanderweg künftig verlaufen.
Mir ist ganz schwindlig. Weil die Brieftauben so rasen. Seit gestern. (Nein, ich habe keinen Glühwein zum Mittag getrunken). Aber dieses Internetz ist plötzlich so schnell. Ich bin ja seit einiger Zeit um diesen komischen weißen Kasten da oben an der Straße geschlichen, auf dem in magentafarbenen Buchstaben was von Glasfaser und so steht. Und hab dann von dort rübergeschaut in Richtung Wohnung, heimischer Schreibtisch, PC und so. Und habe technisch unversiert wie ich bin, für mich versucht herauszufinden, warum da unten (Luftlinie vielleicht 200 Meter, eher weniger), aus der Datenautobahn eine eher holperige Dorfstraße geworden ist. Mich also an guten Tagen mit viel Rückenwind in der Sekunde 6 manchmal auch 7 Megabyte erreichten. 16 hätten es laut Vertrag sein sollen, „bis zu“, wie ich inzwischen gelernt hatte. Also hatte ich mich zeitweise damit abgefunden, dass es eben nicht schneller geht. Was dazu führte, dass ich mich an die Päuschen und Pausen schon gewöhnt hatte, wenn ich mal etwas größere Datenmengen auf die Reise schickte. Mehrere Bilddateien auf einmal und so etwas. Aber der verheißungsvolle Kasten da oben an der Straße ließ mir nun doch keine Ruhe. Auch wenn ich mit nicht recht erklären konnte, wenn es schneller ginge, warum dann die 16 Mb nicht ausgeschöpft werden. Ein Update auf, sagen wir, 50 Mb war für meinen Vertrag nicht vorgesehen. Anfrage beim Anbieter. Gemault wegen der Daten-Dorfstraße. Wo es doch so einen schönen weißen Kasten in Sichtweite gibt. Siehe da: Umstellung des Vertrags. Fünf Euro weniger im Monat. Dafür fünfmal schneller. Selbst mit WLAN. Funktioniert. Seitdem rasen die Brieftauben. (Großstadtmenschen, die seit Jahren 100.000er Verbindungen haben, werden gerade müde lächeln.) Vorbei mit den Pausen und Päuschen beim Bilderhochladen. Wow.
Das Richtige konnte man schon tun, aber es war immer möglich, dass alle anderen es für das Falsche hielten. Sie konnten sogar recht haben.